Glitzernde, Sonnenlicht reflektierende Wellblechdächer funkeln mir bei der Landung im kleinen Flughafen Ndolas entgegen. Es sind unter anderem die Dächer der Mackenzie Community, die gerade an den Flughafen grenzt. Diese Community wird von iChange unterstützt. Noch viel funkelnder erscheint mir das Lachen der Bewohner dieser Community, die mich sogar am Flughafen willkommen heissen. Dank dem herzlichen Empfang, fühle ich mich sofort wohl in Ndola, der Hauptstadt des Copperbelts.
Meine Gastfamilie, die Chishas, geben mir vom ersten Tag an das Gefühl, auch Teil der Familie zu sein. Einige Momente geniesse ich besonders: Am Morgen im Garten, mit einem Tee in der Hand, der Sonne hinter den Palmen beim aufgehen zuzusehen, während dem mir mein Gastvater erklärt, wie er seinen Garten pflegt. Dieser Garten liefert einiges an Nahrung, welche die Familie benötigt. Am Abend mit dem Fahrrad heimzukehren und schon auf der Strasse von den Kindern begrüsst zu werden, die mir ihre neugelernten traditionellen Tanzkünste zeigen. Vor dem Nachtessen, die Gastmutter, die mir zeigt, wie man in Sambia gesund und gut kocht, die voll guter Ratschläge ist und immer etwas zu lachen hat.
Mir wird von allen Seiten geholfen, mich schnell in der Stadt zurecht zu finden, so dass ich mir einen Wochenplan erarbeiten kann, um mich ebenfalls für iChange etwas nützlich zu machen. Ich bin auch mit der Absicht hierhin gereist, um zu sehen, wie wir privilegierten Europäer etwas ändern, also "changen", können. Die Entwicklungshilfe der letzten 50 Jahre steht ja mehr denn je unter harter Kritik, es wird oft behauptet, die beste Hilfe sei gar keine Hilfe, was mir einfach nicht in den Kopf will. Sich selbst überlassen lernt man vielleicht zu kämpfen, man realisiert, dass die Welt zu einem grossen Teil aus Feinden besteht, aber kämpfen heisst nicht gewinnen, vor allem dann nicht, wenn man nicht die gleichen Spielregeln zur Voraussetzung hat. Meines Erachtens ist es selbstverständlich, wenn der Handel auf einer globalen Ebene abläuft, so muss auch das soziale System global ablaufen. Auf jeden Fall beeindruckt mich die Arbeit von iChange sehr. Die Hilfe ist lokal und auch auf die Mitarbeit der Einwohner ausgerichtet. Zudem basiert sie darauf, Wissen jenen weiterzugeben, die es wiederum selbst auch weitergeben werden. Ich bin überzeugt davon, dass viele ähnliche kleine, nicht administrativlastige Projekte, die darauf basieren nur die nötigste Starthilfe zu geben um eine Kettenreaktion der Selbsthilfe auszulösen, zusammen viel bewegen könnten. Denn viele kleine Leute aus vielen kleinen Orten können zusammen grosses verändern.
Ich bin sehr dankbar, dass ich durch iChange die Chance bekam, für eine kurze Zeit auch einen kleinen Teil in einer positiven Bewegung zu sein. Ich führe Schulabgänger und Lehrer in die Grundkenntnisse des Computers ein, ich helfe im St. Anthonys Kinderheim aus und gebe den Lehrern in Mackenzie etwas Verstärkung, da sie oft überlastet sind. Im Kinderheim kann ich mich am meisten nützlich machen. Obwohl es viele einheimische Arbeiterinnen und auch ziemlich viel Material von Windeln, Kleidern bis zu Rollstühlen hat, gibt es immer etwas zu tun. Nur schon das Waschen von Hand und das Füttern der Behinderten, die oft kaum einen Schluckreflex haben, nimmt nämlich sehr viel Zeit und Energie in Anspruch. In einem Arbeitstag in Sambia passt einfach nicht so viel hinein, weil man nicht die gleichen Mittel zur Verfügung hat. Das Leben läuft hier daher langsamer und körperlich anstrengender ab. Zudem kommt, dass die Heimleiterinnen häufig überfordert sind, da sie zu Hause oft auch noch Waisen von verstorbenen Familienmitgliedern aufziehen müssen. Ich darf im Heim überall anpacken, vom Basteln und Spielen mit den Kinder übers Füttern und Waschen der Kleinen bis hin zum Windeln wechseln und Physiotherapie Übungen machen mit den Behinderten. Es ist eine vielseitige Arbeit voller Emotionen, von der ich viel lernen kann. Es bereitet mir viel Freude, zu sehen, wie einige Babies zu gehen lernen, Schrittchen für Schrittchen. Es berührt mich sehr, wie Philomen, ein behinderter Junge, aus seiner Passivität erwacht und freudig jauchzt, weil er endlich etwas Aufmerksamkeit und Sonne auf der Haut zu spüren bekommt, wenn ich ihn aus seinem genässten Bett nehme, in dem er die meiste Zeit seines Lebens verbringt. Traurig stimmt es mich, wenn ich darüber nachdenke, was wohl aus den Kleinen wird, wenn sie älter werden. Viele von ihnen sind, wie ihre verstorbenen Eltern, selbst HIV-positiv. Die Kinder bekommen hier eine Grundausbildung, bleiben aber oft nur bis sie ungefährzehn Jahre alt sind im Heim, danach ist bei vielen Kindern nicht klar, wohin sie gehen können.
Ich bin ja in erster Linie hier um zu lernen, denn effizient ist meine Arbeit, so gerne ich sie auch mache nicht wirklich. Von meinem Flugticketpreis könnte man nämlich zweieinhalb Jahre eine zusätzliche Arbeitskraft im Heim anstellen. Lernen aber kann ich von meinem Aufenthalt viel, vor allem vom kulturellen Austausch. Ich lerne den Wert von Identität noch einmal kennen, den iChange bei der Arbeit immer versucht zu berücksichtigen. Etwas, was in unseren Augen ineffizient ist, kann in anderen Augen lebensnotwendig erscheinen, weil es ein Grundstein der Identität bildet. Wer sich nämlich nicht mit sich und der Welt identifizieren kann, will gar nicht erst leben – dem ist gar nicht mehr zu helfen. Auch mich und meine eigene Kultur lerne ich besser kennen. Ich kann meinen Schweizer Alltag und die vielen Dinge, die uns in der Schweiz täglich zur Zerstreuung dienen, abschälen und nur noch das Wesentliche in mir wahrnehmen.
Dafür lerne ich hier einen neuen Alltag kennen. Die Ballung aus rhythmischen Liedern an den Strassenecken, aus Gelächter und Geschrei, aus farbigen wirr gemusterten Kleidern (Tschitenges genannt) und knalligen Blüten, die aus dem staubig roten Strassen hervorleuchten, sowie aus der Geruchmischung aus Hühnern, Fisch und selbstgebrautem Bier am Markt, formt Ndolas Alltag. Sie überschwemmt meine Sinne, wenn ich mit dem Fahrrad durch die Strassen fahre. Es ist schön zu sehen, wie die Menschen hier trotz vielen Krankheiten und Armut nicht verlernt haben, das Leben zu schätzen und Hoffnung zu tragen. Das vibrierende Leben auf der Strasse täuscht aber auch. Erst wenn die Lieder verstummen, die Arbeiter müde werden und die Leute zu erzählen beginnen wird klar, dass hier nicht nur die Wasser- und Strombeschaffung das Leben erschwert, sondern dass jedermanns Schicksal hier von AIDS betroffen ist, entweder weil er selbst HIV-positiv ist, was jeder fünfte ist, weil er AIDS-Waisen bei sich aufgenommen hat oder weil der Virus einem den Ehepartner, die Eltern oder Geschwister genommen hat. Es ist erschreckend und betäubend, wenn man gewisse Schicksale hört. Eine Polizistin, die selbst, aus Schutz vor der Krankheit, mit gar niemandem schlafen will, erzählt mir viel über dieses Problem. Es geht soweit, dass sie den Prostituierten Kondome verteilen muss, weil sie ansonsten nicht verhüten würden. Natürlich werfen auch Malaria und andere Krankheiten einen Schatten auf das Leben hier. In einem Dorf im Busch wird mir auch die Gefahr des Gebärens bewusst. Hier ist die nächste kleine Klinik mit dem Fahrrad mehrere Stunden entfernt. Wenn bei einer Geburt Komplikationen auftreten, endet das oft mit dem Tod der Mutter und des Kindes. Zudem ist hier auch der Schulweg für die Kinder oft nicht möglich.
Doch je mehr kleine Organisationen, wie iChange tätig werden und zusammenarbeiten, desto mehr Chancen gibt es für die Leute zu überleben und ihre Kapazitäten an Wissen und Können zu erweitern. So kann das eigentlich fruchtbare Sambia auch Blüten und Früchte tragen. Bis dahin hoffe ich, dass das Weltsystem endlich gerechter wird und ein Liter Milch in Sambia nicht mehr gleich viel wie in der Schweiz kostet, wo ein durchschnittlicher Lohn das Hundertfache von einem Lohn in Sambia ist.
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