Lange hat es gedauert, bis ich meinen Bericht über Sambia geschrieben habe. Es ist mir nicht leicht gefallen. Vieles wurde wieder aufgewühlt. Viele Erinnerungen werden geweckt. Schöne, aber auch solche, die an schwierige, ja sogar schmerzhafte Zeiten erinnern.
Wo soll ich anfangen? Wie soll man neun Monate zusammenfassen? – Neun Monate, in denen so viel erlebt wurde, in denen so viele Erfahrungen gemacht wurden und in denen so viele Höhen und Tiefen zu überwinden waren.
Anfang Mai 2008, etwa zwei Wochen nach dem Militärdienst verliess ich die Schweiz. Über einen kleinen Zwischenstopp in Südafrika sollte Sambia in den nächsten drei Monaten mein neues Zuhause sein. Aus drei Monaten wurden aber schlussendlich neun.
Also, auf nach Sambia: Ich kam in Lusaka an, der Hauptstadt des Landes. Voller Vorfreude, Hoffnungen und Erwartungen, aber auch mit Skepsis und Zweifeln. Viele Bekannte hatten mir ermutigende Worte mitgegeben, es gab aber auch Zweifler: "Wie willst du allein was bewirken?", "Du verschwendest nur deine Zeit und dein Geld." Trugschlüsse, wie sich herausstellen sollte…
Die ersten Wochen waren aufregend, lehrreich, ermutigend und schwer verdaulich zugleich. An einem Tag sah man unendlich viele Möglichkeiten, alle Türen waren weit offen. So viele Ideen und Wege zu Veränderungen lagen vor einem. Am anderen Tag erlebte man viele Enttäuschungen und sah nur noch Hindernisse und unüberwindbare Hürden. Es wurde zu einem Kampf, der schlussendlich in mir selbst stattfand. Ich merkte schnell, dass ich schlussendlich selber entscheiden musste, ob die Zeit in Sambia erfolgreich sein würde oder nicht. Es würde an mir selbst liegen, ob ich die Niederlagen als Chance für etwas Neuem sah oder daran zugrunde ging.
In den ersten beiden Monaten hatte ich das Vergnügen (naja, manchmal auch die Qual), eine zweite Klasse im Westen der Stadt Lusakas zu unterrichten. Die Kinder waren zwischen sieben und neun Jahren alt. Man wuchs sich schnell ans Herz. Man lernte voneinander. Erst als wir nach gut zwei Monaten wieder getrennte Wege gehen mussten merkte ich, wie nahe man sich eigentlich gekommen war: Als es ein kleines Goodbye Fest geben sollte, brachen die Kinder für die nächsten Stunden in Tränen aus…
Die Schule fand hauptsächlich morgens statt. Meist war ich danach schon total ausgelaugt. Ich bekam die Härte des Lehrer-Seins zu spüren. Dennoch versuchte ich die Nachmittage auch sinnvoll zu nutzen, obwohl ich manchmal lieber direkt wieder ins Bett gegangen wäre. So gab es einige Sportanlässe der älteren Schüler, an denen ich teilnahm oder an denen ich sogar mitorganisieren durfte. Nachdem ich auf zwei gut 15-jährige "Computer" gestossen war, fing ich auch mit Computerunterricht an.
Nach der ersten Zeit in Lusaka zog es mich dann nach Ndola, der Stadt in der Claire ihre meiste Zeit verbracht hatte. Dort sollte ich auf einige Bekannte aus der Schweiz und andere Jugendlichen aus Amerika treffen, die für ein dreiwöchiges Projekt kamen, um unter anderem ein Schulzimmer zu bauen.
Danach ging es gleich wieder zurück nach Lusaka. Ich musste um mein VISA kämpfen. Man sollte meinen, dass freiwillige Arbeiter willkommen seien, dass ihnen geholfen werde. Fehlanzeige. Dennoch, ich wollte und konnte schliesslich noch weitere sechs Monate bleiben.
Während dem Aufenthalt in Lusaka half ich beim Anstreichen der Schule, in der ich zuvor unterrichtet hatte. Ich durfte erleben, wie lokale Jugendliche freiwillig helfen wollten und dies auch mit vollem Einsatz taten. In kurzer Zeit änderte sich das Gesicht der Schule enorm. Das bisschen Farbe gab der tristen Umgebung gleich wieder etwas Frische.
Schliesslich ging es dann aber wieder zurück nach Ndola, wo ich für die meiste restliche Zeit bleiben sollte. Ich stieg vorerst in Projekte ein, die schon seit einiger Zeit am Laufen waren. So arbeitete ich mehrere Tage in der Woche im St. Anthony’s Children's Village. Ein Waisenhaus, das unter anderem AIDS-kranke Kinder, AIDS Waisen oder schwer behinderte Kinder aufnahm.
An anderen Tagen gab ich Computer Kurse für Jugendliche von der Mackenzie Community. Dank Laptops, die von Teilnehmenden vom Projekt im Sommer mitgenommen wurden, konnten grossartige Erfolge erreicht werden.
Mit der Zeit bekam ich die Möglichkeit neue und andere Projekte kennen zu lernen oder sogar selber zu gestalten. So konnte ich mitwirken und miterleben wie ein neues Haus entstand, hauptsächlich durch Spenden aus der Schweiz. Oder ich konnte wunderbare Stunden mit Kinder vom Mackenzie Slum erleben, die an einem neuen Fussballprogramm teilnahmen.
Dies waren einige der grösseren Programme und Projekte, an denen ich mitwirkte oder teilnahm. Dennoch gab es noch so viele kleine Erlebnisse. Gerade diese machten wohl den Aufenthalt zu etwas so Inspirierendem und Unvergesslichem:
Nicht die Armut zu sehen oder teilweise gar zu spüren war das wirklich traurige an meinem Aufenthalt. Nicht die Entstehung von einem neuen Schulgebäude war das wirklich Inspirierende. Das wirklich Erschütternde war zu erkennen, dass wir so viel haben und das dennoch so viel geklagt wird, ohne einen Gedanken daran zu verlieren, dass am anderen Ende der Welt Leute leben, die all unsere Möglichkeiten, all unsere Chancen nicht haben und nie hatten. Aber das Streben genau dieser Menschen, den noch Unprivilegierteren und noch Miserableren zu helfen und vielleicht so den zukünftigen Generationen eine bessere Zukunft zu liefern, war das wahrlich Inspirierende, war der Weckruf, dass wir so viel mehr tun können, dass wir zu so viel mehr im Stande sind!
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